24. Breakfast Talk mit Prof. Andreas Gerdes: „Wir planen und bauen ohne Nachhaltigkeit!“
von Elke Sieber und Daniel Wensauer-Sieber
Ein Breakfast Talk, bei dem Impulsgeber Prof. Andreas Gerdes viele Brücken schlug und für ein anderes Denken beim Bauen warb. „Wenn wir von Anfang an mit mehr Prävention arbeiten würden, würde unsere Infrastruktur länger halten“, so der promovierte Bauchemiker, „Aber wir planen und bauen ohne Nachhaltigkeit.“ Und so schlug er die erste Brücke in die Antike zu den Pyramiden, die seit 4.500 Jahren Bestand haben.
Nachhaltige Pyramiden und antiker Jahrtausend-Mörtel
„Mit Seife und Alaun wurden bei den Ägyptern die Ziegelsteine gegen aufsteigende Feuchte imprägniert“, erklärt Gerdes den interessierten Zuhörern, davon viele aus der Baubranche. Und auch im antiken Rom wusste schon Vitruv wie nachhaltiges Bauen funktioniert. Technologietransfer im Bauen durchzog über Jahrhunderte die Antike und Vitruv hatte wesentliche Ergebnisse in seinem Werk festgehalten. Ein von Gerdes untersuchtes Ergebnis sind die Zisternen auf der Insel Pantelleria, die heute auch nach über 2.000 Jahre noch wasserdicht sind. „Wo heute bereits wenige Jahre nach der Applikation moderne zementgebundene Beschichtungen Schäden aufweisen,“, hat Gerdes mit einem Team untersucht, „waren Punier und Römer in der Lage, einen Mörtel zu entwickeln, der auch nach Jahrtausenden noch Bestand hat.“
Versiegeln statt Sanieren
Wie das auch heute gelingen kann, macht der Gründer und Leiter des KIT Innovation Hubs am Beispiel des modernen Brückenbaus deutlich: „Wären wir zum Beispiel bereit, beim Bau pro Quadratmeter Brückenoberfläche zehn weitere Euro für eine Versiegelung auszugeben“, so der an der ETH Zürich promovierte Gerdes, „könnten wir nachweislich verhindern, dass zum Beispiel Salze aus dem Winterdienst entscheidend in den Beton eindringen.“ So könnte die Dauerhaftigkeit von Bauwerken deutlich erhöht werden. Statt nach einem Neubau nach ca. 20 bis 30 Jahren Nutzungsdauer aufwändig alle zehn erneut sanieren zu müssen, ist der von Gerdes empfohlene Weg von Anfang an präventiv tätig zu werden.
Nachhaltigkeitsdreieck um Technologie erweitern
Durch Baubegleitung, Planung, veränderte Ausschreibungsregularien und eine Qualitätssicherung, was Baustoffe und deren Verarbeitung betrifft, sieht er Möglichkeiten, an die alten Traditionen der Antike anzuknüpfen. „Bis in die 20er und 30er Jahre des 20. Jahrhunderts haben wir viel Innovation im Bau erlebt“, führt Gerdes aus, „heute wollen wir vor allem kostengünstig bauen mit dem Resultat: keine Nachhaltigkeit.“ Um dies zu ändern, plädiert der Professor dafür, das Nachhaltigkeitsdreieck von Ökologie, Soziales und Ökonomie, um die Ebene der Technologie zu erweitern. „Nur wenn wir Innovationen einführen, Hochleistungswerkstoffe einsetzen sowie Dauerhaftigkeit und Langlebigkeit zum Ziel machen, haben wir die Chance, den 160 Milliarden Investitions-Rückstau in Deutschlands Kommunen abzubauen.“ Dieser Stau fängt schon beim ausgewählten Fliesenkleber im öffentlichen Schwimmbad an, wo sich nach sechs bis zehn Jahren die ersten Fliesen im Becken wieder lösen. Mit einem besser geeigneten Kleber würde das nicht passieren.
Das Laufenmühlen-Viadukt im Kosten- und Zeitrahmen instandgesetzt
Die große Mammutaufgabe der Ertüchtigung der Infrastruktur kann laut Gerdes aber nur gelingen, wenn Bauen und Instandsetzen zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe und Perfomance statt Preis zum Maßstab gemacht werden. Wie das im Einzelnen aussieht, erarbeitet und erforscht Gerdes mit seinem Team am Innovation Bau Hub Prävention im Bauwesen des KIT. Ganz konkret werden hier neue Brücken und auch Brücken neu geschlagen, wie er am konkreten Beispiel Laufenmühlen-Viadukt verdeutlich. Diese Anfang des 20. Jahrhundert gebaute Eisenbahnbrücke konnte mit Hilfe des Hubs nachhaltiger saniert werden als auf heute üblichem Wege. Unter dem Strich standen von 3,2 Mio. Euro auf 2,2 Mio. Euro reduzierte Kosten, ein eingehaltener Zeitplan und ein wieder ertüchtigtes Denkmal – Dank Planung und Bauen mit nachhaltigen Ansätzen.
Komplette Präsentation des Vortrages finden Sie hier: Breakfast Talk – Gerdes.
Hintergrund zum Breakfast Talk
Der Breakfast Talk ist eine gemeinsame Initiative von der Rechtsanwaltskanzlei Caemmerer Lenz und der Beratung sieber l wensauer-sieber l partner.Weil wir alle von neuen Impulsen profitieren und gemeinsam bessere Antworten finden werden, laden wir Führungskräfte, Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte regelmäßig zum Karlsruher Breakfast Talk ein.
Wir möchten damit Mitgestaltern von Unternehmen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen, ein hochkarätiges Forum zum Gedankenaustausch und Netzwerken bieten. Sie finden hier wegweisende Impulsgeber, frische Ideen, kreative Ansätze und jede Menge Erfahrung. Let’s talk.