… mit Höchstgeschwindigkeit ins Ehrenamt 2.0
von Elke Sieber und Daniel Wensauer, gesch. Partner sieber l wensauer-sieber l partner
Die Corona-Pandemie beschleunigt einen Prozess, der schon vor Jahren begonnen hat: die Digitalisierung.
Innerhalb kürzester Zeit hieß es, „Ade analoge Welt“ und „Willkommen im digitalen Raum“ – und das nicht nur für circa acht Stunden arbeiten am Tag. Auch in der Freizeit mussten wir uns alle zunehmend online verabreden: sei es zum Spieleabend, zum Stammtisch oder zum gemeinsamen Kochen. Möglich gemacht haben das digitale Plattformen wie Zoom, Teams uvm., die eigentlich zum kollaborativen und flexiblen Arbeiten entwickelt wurden. Neben der Zweiteilung Arbeit und Privat, gibt es noch einen dritten Bereich, der seit Beginn der Pandemie etwas mehr als ein Fünftel der deutschen Bevölkerung vor Herausforderungen stellt: das Ehrenamt.
Auch beim Ehrenamt diente die Pandemie als Katalysator für eine sich ohnehin bereits vollziehende Veränderung: Weg vom klassisch analogen Ehrenamt hin zum Ehrenamt 2.0.
Doch was ist unter dem Begriff Ehrenamt 2.0 zu verstehen?
Der Begriff Ehrenamt 2.0 vereint in Bezug auf die Digitalisierung zwei Arten des ehrenamtlichen Engagements:
- die zunehmende Digitalisierung des klassischen ehrenamtlichen Engagements, das traditionell analog und offline stattfindet, ob Freiwillige Feuerwehr oder Deutsch-Unterricht für Geflüchtete
- ehrenamtliches Engagement, das erst durch die Digitalisierung im Web 2.0 oder auch „Mitmachinternet“ aufkam und nur online übernommen werden kann, wie bspw. die Moderation von Gruppen in sozialen Netzwerken wie Facebook oder das Betreiben eines Podcast-Kanals
Ein Vorteil des ehrenamtlichen Engagements im Web 2.0 oder auch „Digitalen Ehrenamtes“ kann darin liegen, dass man sich global vernetzen sowie austauschen kann. So können mehr Interessengruppen – auch kleine und weit verstreute – zusammenfinden, sodass jede und jeder ihre bzw. seine eigene Community finden kann.[1] Personen mit einer seltenen Behinderung oder einem besonders spezifischen Hobby treffen im digitalen Raum auf Gleichgesinnte, vernetzen sich und bringen ihre Themen voran.
Während sich vor allem das klassische ehrenamtliche Engagement beim Musikverein, der Ortsgruppe des DRK oder auch bei Service Clubs (Lions, Rotary, etc.) , die sich i.d.R. durch die Präsenzaktivität ihrer Mitglieder auszeichnen, im digitalen Raum erstmal neu finden mussten, änderte sich für die „digitalen Ehrenämtler“ nicht besonders viel. Dort interagierten, vernetzten und tauschten sich weiterhin die Mitglieder miteinander aus. Lediglich die ohnehin von den digitalen Ehrenämtern genutzten Plattformen der sozialen Medien wie Facebook, Instagram, YouTube, Blogforen etc. erhielten mehr Zulauf. Diese waren und sind nun Dreh- und Angelpunkt der Aktivitäten.
Wir haben in den letzten Wochen und Monaten viel Neues gesehen, wie und wo sich Ehrenamt verändert hat:
- Weiterbildungen z.B. bei der Freiwilligen Feuerwehr finden nun als Webinar statt.
- Ehrenamtliche Aktivitäten werden detailliert im Netz vorgestellt, wie z.B. aktuell das ehrenamtliche Musical „Weihnachen neu erleben“ (WNE), die viele Aktivitäten ins Netz verlagert haben und eine ganze Themenwelt rund um die Kernidee entwickelt haben.
- Vernetzungsformate haben einen Aufschwung erlebt, so hat z.B. der Internationale Stammtisch des Welcome Center der TechnologieRegion Karlsruhe eine ganz andere Reichweite und regelmäßig direkt Teilnehmender aus Asien oder Afrika.
- Auch Veranstaltungen werden in den digitalen Raum verlegt, so hat z.B. der Verein die LESEOHREN in Stuttgart ihre Weihnachtslesung mit Walter Sittler in den digitalen Raum verlegt.
- Es gibt auch Beispiele fürs Ehrenamt, das sich im digitalen Raum entwickelt hat, wie z.B. INTOMBI ein Projekt von Mädchen für Mädchen, deren Kern ein Online-Magazin ist, über das sich die jungen Frauen gegenseitig stärken.
- Auch neue Ideen für das Fundraising finden ihren Weg wie z.B. die Kamapgne „Legends for Children“ ein Online-Konzert von bekannten Musikern, die zusammen musizieren, ohne sich jemals „live“ getroffen oder gemeinsam musiziert zu haben – sich aber gemeinsam für Bildungschancen in Laos der Stiftung „Engel für Kinder“ einsetzen.
- Statt einem Dankesabend für Ehrenamtliche und Spender ist die Kampagne „Keine kalten Füße“ den jährlichen Dankesabend durch einen Film zu ersetzen, mit dem gedankt wird und die wichtigsten Aktivitäten des Jahres vorzustellen.
Herausforderung 2.0: neue Formen der Zusammenarbeit gefragt
Eine weitere Veränderung, die ebenfalls mit der Entstehung des Ehrenamtes 2.0 einhergeht, sind die engagierten „Digital Natives“. Sie haben andere Erwartungen an das ehrenamtliche Engagement und wünschen sich ein offeneres gestaltetes, mehr projektorientiertes Ehrenamt. Grundsätzlich ist für junge Menschen die Übernahme eines Amtes oder die Mitgliedschaft in einem Verein von Interesse. Sie erhalten dort nicht nur soziale Kontakte und können sich überregional vernetzen, sondern können ihr eigenes Selbstbewusstsein stärken und Verantwortung übernehmen. Für junge Erwachsene ist es aber wichtig, im Ehrenamt nicht nur unterstützend zu helfen, sondern sich ganz entfalten zu können. Interessenten wollen ihre persönlichen Stärken und Meinungen einbringen und auch selbst einen Mehrwert für Ihre Freizeit erhalten, indem sie etwas wissentlich Gutes tun. Sinn, Sinnstiftung, Purpose, Impact, „etwas bewegen wollen“ sind Begriffe, die hier eine ganz zentrale Rolle spielen – eingefahrene Organisationsstrukturen, Hierarchien oder auch kleine Entscheidungszirkel stehen dem im Weg.[2]
Selbst aktiv
Das Ehrenamt ist wie so viele Bereiche des öffentlichen Lebens aufgrund der Digitalisierung und der Forderung nach offeneren, flacheren Strukturen im Wandel. Wir von sieber l wensauer-sieber l partner bringen uns aus diesem Grund selbst auf verschiedenen Ebenen im Ehrenamt ein – bieten aber auch immer wieder Workshops und Seminare an, um unser Wissen z.B. über Transformation und Veränderung, Fundraising, aber auch Digitalisierung im Ehrenamt zu teilen und gemeinsam mit den Teilnehmenden unserer Seminare neue Horizonte zu erreichen sowie gemeinsam Impulse für die Zukunft des wichtigen Ehrenamtes zu setzen.
Das Ehrenamt steckt im Wandel auf unterschiedlichen Ebenen und ist mit Höchstgeschwindigkeit dabei, sich weiterzuentwickeln und aufs Neue zu erfinden.
[1] Thiedeke, Udo „ Medial Bedingungen für freiwilliges Engagement im Internet“ in http://www.die-bonn.de/id/404
[2] https://www.seitenwechsel-magazin.de/artikel/ehrenamt-war-einmal-wir-brauchen-jetzt-das-ehrenamt-20.html (aufgerufen 14.5.2021)