Partizipation erfolgreich gestalten in Unternehmen und im öffentlichen Sektor
von Elke Susanne Sieber
Der Schock der CoVid-Pandemie im Frühjahr 2020 hat viele Menschen in einen Zustand der Ohnmacht versetzt. Maßnahmen der Länder zur Eindämmung der Infektion und zum Schutz des deutschen Gesundheitssystems nötigten die Menschen, den gewohnten Alltag mit Hobbies, Ausflügen, Verabredungen und Konferenzen plötzlich einzustellen. Ein Gefühl der Machtlosigkeit breitete sich aus und damit auch teilweise Frust und Widerwillen zur Anpassung an die Vorgaben, die von „denen da Oben“ getroffen wurden. Ähnliche Stimmungslagen können auch in Unternehmen oder Kommunen vorkommen, wenn es darum geht Transformationen anzustoßen. Mitarbeitende oder Bürger*innen fühlen sich dann oft übergangen von den getroffenen Entscheidungen und akzeptieren diese eher widerwillig.
Prävention durch Partizipation mit Zufallsbürger*innen
Partizipativ orientierte Entscheidungsprozesse können eine solche Stimmung verhindern. Laut einem Leitfaden der Bertelsmann-Stiftung zur vielfältigeren Demokratie gestaltet sich durch die Einbeziehung von Mitarbeitenden und Bürger*innen in Form von Partizipationsmodellen eine gerechtere und flüssigere Entscheidungskultur. Damit können Betriebe, Kommunen oder Landesbehörden eine größere Akzeptanz bei Umgestaltungen oder Investitionen erreichen, denn dank des stärkeren Mitspracherechts der Betroffenen kommen verschiedene individuelle Bedürfnisse zur Sprache, die ohne deren Einbeziehung untergehen würden. Ein weiterer wichtiger Nebeneffekt ist der Einbezug von Gruppen die eher weniger politisch aktiv sind. Häufig sind das Personen aus bildungsfernen Milieus, junge Menschen und Frauen.
Das Prinzip „Zufallsbürger“ versucht alle Gruppen Gehör zu verschaffen und mit einem Losverfahren eine repräsentativ diverse Gruppe in Dialog und Austausch zu bringen. Das funktioniert zum Beispiel über das Melderegister der Kommunen. Aus diesem können die Einwohnermeldeämter per Zufall, jedoch nach bestimmten Kriterien wie Wohnort, Alter, Geschlecht und Nationalität, Personen losen.
Vor allem bei konflikt-geladenen Entscheidungen ist das Partizipationsmodell „Zufallsbürger“ sinnhaft. So hat beispielsweise die baden-württembergische Staatsrätin für Bürgerbeteiligung und Zivilgesellschaft, Gisela Erler, 40 stellvertretende „Zufallsbürger“ berufen, um über die kostspieligen Sanierungspläne des Stuttgarters Opernhauses zu diskutieren. Ergebnis der inklusiven Diskussion waren anregende Entwürfe wie zum Beispiel das Haus für wirklich alle Schichten der Stadt zu öffnen. Erler erläuterte zuletzt im Januar 2020 auf dem 14. Breakfast Talk von Caemmerer Lenz und sieber l wensauer-sieber l partner (s I ws I p), wie wichtig es sei, unterschiedlich politisch aktive Personen diskutieren zu lassen. Dies sei vor allem im Hinblick der politischen Blase wichtig, welche durch Algorithmen in den Sozialen Medien weiter wächst. Entkommen könne man dieser nur durch Dialoge, so Erler.
Von Zufallsbürger*innen zu Zufallsmitarbeiter*innen
Das „Zufallsbürger“-Prinzip ist ebenso eine sinnvolle Anwendung für Umgestaltungsprozessen in Unternehmen. s l ws l p integriert das Partizipationsmodell derzeit in der Zusammenarbeit mit einem bundesweiten sozialen Träger. Eine „Zufalls-Partizipations-Gruppe“ entsteht aus einer Mischung von Mitarbeiter*innen aus verschiedenen Ebenen, Organisationseinheiten und Altersgruppen. Diese Losgruppe tauscht so auf Augenhöhe Ideen und Anregung zum Thema interne Kommunikation sowie damit verbunden Herausforderungen innerhalb des Trägers aus und begleitet den Prozess. Die Gruppe bringt Know-how, Erfahrungen ein, stellt einen unmittelbaren Spiegel dar, hilft aber auch die Prozesse emotional in der Organisation zu verankern.
Zuletzt hat s I ws I p auch den Kulturdialog Baden-Württemberg des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg zur Erstellung kulturpolitischer Leitlinien maßgeblich begleitet und partizipatorische Ansätze mit einfließen lassen. Hier waren 1250 Personen aus Haupt- und Ehrenamt beteiligt
Das Prinzip „Zufallsbürger“ ist eine gute Möglichkeit, einen partizipativen Ansatz in Entscheidungsprozesse von z.B. Kommunen, Landesbehörden, Institutionen, aber eben auch Unternehmens einzubringen. Die Erfahrung zeigt, die hier investierte Zeit, zahlt sich im Prozess vielfalch aus. Die Gruppe fungiert aber auch als Hilfsmittel einer demokratischen Gesellschaft oder eines Unternehmens mit Mitbestimmung. Auch kann über diesen Weg eine repräsentative Inklusion aller Betroffenen sichergestellt werden. Diese Form der Teilhabe fördert Akzeptanz für und Lust auf die Veränderung, und garantiert damit deren Erfolg für alle: Unternehmen und Mitarbeiter*innen, öffentlicher Sektor und Bürger*innen.
Elke Susanne Sieber gestaltet als Partnerin von sieber l wensauer-sieber l partner vielfältig Veränderungsprozesse aktiv mit. Dabei bringt sie jahrelange Führungserfahrung, aber auch Methoden aus dem Coaching ein. Ihr ist wichtig, dass die von der Veränderung Betroffenen, so „empowered“ werden, dass sie aktiver Teil von Change-Prozessen werden.
Weitere Informationen und Quellen:
- https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/Projekte/Vielfaeltige_Demokratie_gestalten/Buergerbeteiligung_mit_Zufallsauswahl_final.pdf (aufgerufen 17.2.21)
- https://www.swr.de/swr2/musik-klassik/steuerzahlerbund-fordert-buergerentschied-fuer-opernsanierung-100.html (aufgerufen 17.2.21)
- https://www.methodenkartei.uni-oldenburg.de/uni_methode/world-cafe/ (aufgerufen 17.2.21)
- Grap, Rolf. „Partizipative Organisationsentwicklung – Praktische Modelle in Deutschland.“ Personal45, no. 8 (1993): 348-52. (Aufgerufen 17.2 2021.) http://www.jstor.org/stable/24383254.